Essays

Heinz Drache: Eigene Gedanken zu seiner Kunst

Schon von der Kindheit an hatte ich den Wunsch, Maler zu werden. Die dafür notwendige zeichnerische Grundlage konnte ich mir durch das Studium bei H.-Th. Richter erwerben. Was nützt es, wenn man sein Farbgefühl stärkt, wenn man aber nicht dazu in der Lage ist, einen Kopf, einen Körper, eine Hand vom Zeichnerischen her zu erfassen und gleichzeitig in Malerei umzusetzen. H.-Th. Richter lehrte uns das Hinter-die-Dinge sehen, - also kein Abbilden der augenblicklichen Situation oder der Oberfläche. Es wurde darauf Wert gelegt, daß jeder Körper von Anfang an seine Bedeutung und seinen Bezug im Raum hat. (Im Gegensatz zur Leibl'schen Methode, der das Darzustellende von oben nach unten malte.) Kubisches Sehen wurde anerzogen. Ineinandergreifen und Verschieben von Körperhaftem, das vom inneren organischen Aufbau bestimmt wird.
Dieses, umgewandelt in meine eigene Bildsprache, hat vielleicht meinen ganzen künstlerischen Lebensweg geprägt, da es natürlich auch meinen eigenen Neigungen und Gefühlen entsprach. Die Vorstellungen von Einfachheit und Schlichtheit übertrugen sich, nach anfänglichem Malen von Gruppenkompositionen, seit dem Anfang der 60er Jahre weitgehend auf das, was ich male und zeichne und diese Gedanken haben sich in dem sich entwickelnden Stil immer mehr durchgesetzt. Ich wünsche mir in meiner Arbeit eine gewisse Endgültig- und Gültigkeit ohne momenthaften Rausch. Keine Lautheit in Bewegung und Farbigkeit, keine illustrativen Momente (Augenblickserlebnisse), Zurückhaltung in der Darstellung von Schmerz, Freude, Trauer, direktes Zur-Schau-Stellen von Sinnenfreude.
Mir liegt nahe die Laokoon-Gruppe, beschrieben von Lessing, die die griechische Kunstauffassung wiederspiegelt. (Die Boa-Schlange windet sich um die Gruppe von Vätern und Söhnen.) Es wird die Wiedergabe von Schmerz nur bedingt wiedergegeben, - Umwandlung von Naturform in gültige Kunstform, gesehen mit der Auffassung des Künstlers, das Ästhetische des Kunstwerkes nicht zu zerstören. (Z.B. kein schmerzvolles und gequältes Aufreißen des Mundes beim Vater, - also keine naturalistische Darstellung der Rachenpartie.)
Desgleichen bewundere ich die vornehme und taktvolle Zurückhaltung bei der Schilderung einer Trauerszene (Griechischer Maler Themantes). Die Größe in der Haltung zum Bildaufbau zeigt sich darin, daß die Mutter als zentrale Figur, die den Tod ihres vor ihr aufgebahrten Sohnes beklagt, sich nicht im eskatischen Schmerz windet, auch nicht in rührseliger, romantischer Pose dargestellt wird, - sondern, um dem allen aus dem Weg zu gehen, - das Gesicht als Spiegelbild des seelischen Zustands, mit einem schwarzen Tuch verdeckt wird.
Das überhaupt Einfache, Schlichte, Unpathetische bevorzuge ich. Das Archaische in der griechischen Kunst, das nicht sofort Gefallende. Das nicht zu Glatte, zu Schöne und scheinbar nicht so Gekonnte. Das Urhafte und Geheimnisvolle zieht mich an. (Sumerer, Ägypter, Kunst der Urvölker.) In Europa die monumentale Kunst der Romanik, - die elementare Form- und Farbigkeit. Giotto, Massacio, Schlüsselübergabe von Breda, Zentralkompositionen, die frühe Renaissance.
Keine Liebe habe ich für die barocke Überschwänglichkeit. Wenig sagen mir gekonnt gemalte Historienbilder zu. (Voriges Jahrhundert, - Makart usw.)
Seit Anfang der 60er Jahre auch Auseinandersetzen mit nicht mehr gegenständlichen Formen bei gleichzeitigem Beibehalten von realen Vorentwürfen (Tiere, Aktdarstellungen, Häusern, Frauenköpfen, Landschaften, Strandkörben). Beteiligung an Wettbewerben in der architekturbezogenen Kunst und Ausführung meines ersten großen Wandauftrages mit W. Rehn im Kulturpalast Dresden. Des weiteren Wandbildaufträge für Schulen und Betriebe. Entwurf für Magdeburger Haus der Kultur und Bildung. (Gebäude nicht verwirklicht.) Dabei Zielsetzung in der Darstellung in abstrahierter Form. Bei technischen Prozessen so, daß diese nicht in der Gegenwart stehenbleiben, sondern im Zeitlichen weitergreifen. (Also nicht Darstellen z.B. einer Drehmaschine, sondern von einer Summe von Technik.)
Henry Moore; "Zeichnungen", "Ich bin der Meinung, daß das Ungegenständliche vieles ersetzen muß und gerade deshalb gut und wohlüberlegt komponiert werden möchte, um nicht abzugleiten in Routine, muß vergleichbar sein mit Musik, Rhythmus, Bewegung, - Halt. Große Flächen aufgelöst in Malerisches."